Lymphödem – Ursachen, Diagnose, Therapie

Das Lymphödem betrifft ca.2% der Bevölkerung. Die Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe schränken im Alltag ein und sind für den Patienten meist auch ein kosmetisches Problem. Eine schnelle Diagnose und sofortiger Therapiebeginn sind wichtig um Verhärtungen, Infektionen, nicht abheilende Wunden und eine Verschlechterung der Situation vorzubeugen. Im folgenden Artikel erfahren Sie mehr über das Lymphödem.

Lymphödem mit schematischen Zeichen

Was sind die Zeichen eines Lymphödems und wie wird es behandelt?

Das lymphatische System

Das lymphatische System ist ein Teil des Abwehrsystems und ist massgeblich am Flüssigkeitstransport im Körper beteiligt. Das System besteht aus den lymphatischen Organen Thymus, Knochenmark, Lymphfollikel, Mandeln, Milz, Lymphknoten und Wurmfortsatz welche für die Immunabwehr zuständig sind und dem Lymphgefässsystem. Dieses beginnt in der Peripherie mit Lymphkapillaren, welche sich zu grösseren Lymphgefässen zusammenschliessen.

Lymphgefäss unter dem Mikroskop

Lymphgefäss unter dem Mikroskop.

Täglich transportiert das Lymphgefässsystem ungefähr 2 Liter Lymphflüssigkeit, welche durch Kapillaren aus dem Blut ins Gewebe austritt zurück in den Blutkreislauf. Die Lymphknoten dienen als Filterstationen und sind in die Gefässe integriert. Die einzelnen Gefässe finden zu den Lymphsammelstämmen zusammen und münden in der oberen Hohlvene. Der Transport der Lymphflüssigkeit erfolgt einerseits durch die Lymphangione. Der Gefässabschnitt ist durch Klappen begrenzt und weist glatte Muskulatur auf, welche sich ca. zehn Mal pro Minute zusammenzieht und die Flüssigkeit so zum Rumpf hin transportiert. Nach dem gleichen Prinzip wie beim Transport von venösem Blut, erfolgt der Lymphabfluss aber auch durch die Bewegung der Gliedmassen und dem dadurch entstehenden Druck auf die Gefässe.

Das Lymphödem

lymphödemDas Lymphödem ist eine Flüssigkeitsansammlung in der Haut oder Unterhaut, welches durch eine verminderte Lymphtransportkapazität hervorgerufen wird.

Eingeteilt wird die Erkrankung in primäres und sekundäres Lymphödem. Das primäre Lymphödem ist anlagebedingt. Zu enge Lymphgefässe oder Schäden an den Klappen der Lymphgefässe können in seltenen Fällen bereits im Kindesalter Probleme verursachen. Am häufigsten tritt das primäre Lymphödem aber ab der Pubertät auf oder wird später durch Schwangerschaft, Überbelastung (langes Stehen) oder Verletzungen am Bein hervorgerufen. Betroffen sin in den meisten Fällen die Beine.

lymphödem2Das sekundäre Lymphödem ist erworben. Häufigste Ursache sind die Folgen eines chirurgischen Eingriffs. Bei der Operation des Malignoms (bösartiger Tumor) werden Lymphgefässe durchtrennt oder ganze Lymphknoten entfernt. Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) kommt es in der Folge häufig zu Lymphödemen am Arm, da die nahegelegenen Lymphknoten in der Achselhöhle beschädigt oder ganz entfernt werden. Aber auch der bösartige Tumor selbst kann zu einer Abflussstörung führen wenn er die Lymphkanäle und –Knoten durch sein Volumen verdrängt. Venenentzündungen mit daraus entstehender Thrombose können die Lymphgefässe ebenfalls schädigen. Das Lymphödem tritt auch nach einer langjährig bestehenden chronischen venösen Insuffizienz als Folge der überlasteten Lymphgefässe auf.

Diagnose

Palpation und Inspektion sind die ersten Diagnoseverfahren die bei einem Verdacht auf ein Lymphödem angewendet werden. Der Arzt schaut sich die betroffene Körperregion also genau an und tastet sie ab. Auch das Stemmer-Zeichen wird überprüft, also ob sich die Haut am Vorfuss und an den Zehen noch leicht anheben lässt oder nicht. Ist dies nicht der Fall ist das ein Hinweis auf ein Lymphödem. Um ein venöses Ödem auszuschliessen wird eine Dopplersonographie der Beingefässe durchgeführt. Auch durch Befragung des Patienten über die Entstehung der Schwellung kann dem Arzt die Diagnose erleichtern. Die ersten Schwellungszustände treten meistens nach einem auslösenden Ereignis, wie einem Insektenstich oder einer Verstauchung auf.

Eingeteilt wird das Lymphödem in folgende Stadien:

  • Stadium 0, Latent: Insuffizienz des Lymphsystems. Es treten noch keine Beschwerden auf und es findet keine Ödembildung statt.
  • Stadium 1, Reversibles Stadium: Das Gewebe ist weich und lässt sich eindrücken bis eine Delle entsteht. In der Nacht oder wenn die betroffene Extremität hochgelagert wird bilden sich die Schwellungen selber zurück.
  • Stadium 2, Spontan irreversibles Stadium: Das Ödem verhärtet sich durch Einlagerung von Eiweiss und Bildung von neuem Fett- und Bindegewebe. Die Schwellungen bilden sich in der Nacht nicht selbständig zurück.
  • Stadium 3, Elephanitiasis: Das Ödem dehnt sich stark aus -bis hin zu monströsen Formen. Das Gewebe entzündet und vernarbt (Fibrose) und es kommt zu Durchblutungsstörungen.

Komplikationen

Neben dem Fortschreiten des Lymphödems gemäss den oben beschriebenen Stadien, kann es zu weiteren Komplikationen kommen, die teilweise einer sofortigen Behandlung bedürfen.

  • Erysipel (Wundrose): Im Bereich des Lymphödems ist die Abwehr von Krankheitserregern eingeschränkt. Dringen durch eine kleine Wunde Bakterien ein, kann es zu einer Infektion kommen, die das Gewebe zerstört. Über die Lymphgefässe breitet sich die Infektion aus und kann im schlimmsten Fall zu einem Multiorganversagen führen. Es handelt sich also um einen medizinischen Notfall. Betroffene mit einer scharf begrenzten, schmerzhaften Rötung, sollten deshalb unverzüglich die Notaufnahme besuchen. Bei einem Erysipel werden Lymphgefässe zerstört, was die Symptome des Lymphödems nachhaltig verstärken kann.
  • Mykose (Pilzerkrankung): Durch Pilze verursachte Hautinfektionen sind weit verbreitet, z.B. Fusspilz nach dem Besuch im Schwimmbad. Da das Immunsystem bei einem Lymphödem geschwächt ist, haben Patienten häufiger Pilzinfektionen und diese können sich schnell ausbreiten. Die Behandlung einer Mykose sollte unter den erschwerten Heilungsbedingungen des Lymphödems deshalb durch einen Arzt erfolgen.
  • Lymphzysten, Lymphfistel: Stehen Lymphgefässe unter Druck, können sie sich weiten. Diese sackartig erweiterten Gefässe werden als Bläschen (Lymphzysten) sichtbar. Gehen die empfindlichen Hautstellen auf, tritt Lymphflüssigkeit aus. So sind Flüssigkeitsverluste von bis zu drei Litern pro Tag möglich, was auch mit einem grossen Proteinverlust einhergeht. Eine Lymphfistel ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belastend für die Betroffenen und muss schnellstmöglich durch einen Arzt behandelt werden.
  • Papillomatose (gutartige Hauttumore): Bei hohem Gewebedruck kann die Haut gutartige Tumore produzieren, die sogenannten Papillome. Sie treten meist an den Zehen auf. Wird der Druck durch die komplexe physikalische Entstauungstherapie reduziert, bildet sich die Papillomatose meist von alleine zurück.
  • Lymphangiosarkom (Lymphkrebs): Bösartige Tumore der Lymphgefässe treten vor allem bei über Jahre schlecht behandelten Lymphödemen im Stadium 3 (Elephantiasis) auf. Erste Anzeichen sind grossflächige, bläulich-rote Hautverfärbungen. In der betroffenen Region bildet sich schliesslich ein etwa haselnussgrosser Tumor.

Therapie des Lymphödems

Die Ursache für ein Lymphödem kann in den seltensten Fällen behoben werden und der Patient ist für den Rest seines Lebens auf eine Therapie zur Kontrolle und Minimierung der Schwellungen angewiesen. Die Therapie ist anspruchsvoll und erfordert viel Geduld.

Ziel der Behandlung

Auch wenn die Therapie keine Heilung bringt, ist sie notwendig und bringt für den Patienten Vorteile. Die Ziele der Lymphödem Therapie sind:

  • Schwellungen reduzieren: Wird die Therapie im ersten Stadium begonnen, lassen sich die Schwellungen bei manchen Patienten vollständig zurückdrängen. Eine Umfang- und Volumenreduktion ist bei fast allen Betroffenen möglich.
  • Beschwerden lindern: Spannungsbeschwerden und Schweregefühle in der betroffenen Extremität werden durch die Behandlung reduziert.
  • Komplikationen vorbeugen: Bleibt das Lymphödem unbehandelt, schreitet es immer weiter fort, bis es schliesslich zu extremen Gewebewucherungen und Verhärtungen kommt (Stadium 3). Auch Komplikationen wie Lymphfisteln, Erysipel (Wundrose), Pilzerkrankungen und gutartige Hauttumore (Papillomatose) treten bei einem unbehandelten Lymphödem häufiger auf.

Die komplexe physikalische Entstauungstherapie

Zusammengefasst werden die Therapiemassnahmen zur Behandlung des Lymphödems als komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) bezeichnet. Diese läuft immer in zwei Phasen ab, wobei die erste Phase beliebig oft wiederholt werden kann, sollte die Schwellung erneut zunehmen.

1.Phase: Entstauung

Die erste Therapiephase hat das Ziel die geschwollene Extremität so weit wie möglich zu entstauen. Diese Volumenreduktion wird durch tägliche Lymphdrainage (manuell und apparativ), Einbinden mit Kompressionsbandagen und regelmässige Gymnastik erreicht.

Neue Patienten werden in dieser Phase ausserdem geschult. Sie lernen wie sie sich verhalten sollen, um Komplikationen zu verhindern, welche entstauenden Gymnastikübungen sich eignen und wie die Hautpflege auszusehen hat. Für manche Betroffene ist es sinnvoll, diese erste Phase der Entstauungstherapie in einer Lymphklinik zu verbringen.

2.Phase: Erhaltung

Das Lymphödem begleitet Betroffene für den Rest des Lebens. Ziel der zweiten Phase der KPE ist deshalb nicht nur die Erhaltung des Therapieerfolgs aus der ersten Phase. Auch die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit des Patienten sollten so weit als möglich wieder hergestellt werden. Dazu wird die Häufigkeit der manuellen Lymphdrainage (MLD) reduziert, die apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK) kann eine zusätzliche zeitliche Entlastung bringen. Anstelle von Kompressionsbandagen werden jetzt meist Kompressionsstrümpfe verwendet, die einfacher im Handling, unauffälliger und komfortabler sind als Bandagen.

Die vier Säulen der KPE

Die komplexe physikalische Entstauungstherapie erfolgt in zwei Phasen und baut auf vier Grundpfeilern auf.

1. Lymphdrainage

Ein wichtiger Pfeiler in der Behandlung des Lymphödems ist die manuelle Lymphdrainage. Durch eine spezielle, sanfte Massage wird die Kontraktion der Lymphangione (Lymphkapillare) angeregt und der Abtransport der Gewebeflüssigkeit angeregt. Das Ödem kann verringert werden, man spricht von der Entstauungsphase.

Eine weitere Therapieform ist die apparative intermittierende Kompression, kurz AIK, welche der MLD sehr nahe kommt. Mittels einer Manschette wird Druck auf die Betroffene Extremität ausgeübt, um das Gewebe zu entstauen. Mehr über die apparative intermittierende Kompression.

2.a Kompressionsbandagen

Kompressionsbandage Juzo ACS light

Kompressionsbandagen sind einfach in der Anwendung.

Nach der Lymphdrainage wird in der ersten Phase der Therapie eine Kompressionsbandage angelegt. Die hierfür verwendeten Kurzzugbinden haben einen hohen Arbeitsdruck und verhindern die erneute Ansammlung von Lymphe im Gewebe, wenigstens für einige Zeit. Eine Polsterung mit Watte oder Schaumstoff sorgt für eine gleichmässige Druckverteilung.

Heute werden anstelle von angewickelten Verbänden immer häufiger Klettbandagen verwendet, die für Behandler und Patient entscheidende Vorteile bringen. Sie sind einfach und schnell in der Anwendung, bieten einen kontrollierten Druckverlauf, lassen sich vom Patienten eigenständig an und ablegen (z.B. zum Duschen) und verrutschen kaum.

2.b Kompressionsstrümpfe

Juzo Kompressionsstrümpfe eignen sich ideal bei LymphödemKompressionsstrümpfe werden zum gleichen Zweck eingesetzt wie Kompressionsbandagen, nämlich zum Erhalt der verbesserten Situation nach der Lymphdrainage. Durch den Druck wird die Einlagerung von Flüssigkeit im Gewebe vorgebeugt. Im Vergleich zu Kompressionsbandagen lassen sich die Strümpfe aber einfacher anziehen und bieten häufig auch mehr Komfort. Die Anwendung kann durch den Patienten selbständig erfolgen, während eine Kompressionsbandage zwingend von einer gut ausgebildeten Fachperson angelegt werden muss. Auch optisch sind (farbige) Kompressionsstrümpfe um einiges ansprechender und weniger auffällig als Bandagen.

Welche Strümpfe eignen sich?

Kompressionsstrümpfe bei Lymphödem

Auch für die Behandlung des Lymphödems gibt’s schöne Strümpfe!

Kompressionsstrümpfe gibt es in zahlreichen Varianten, Qualitäten und Grössen. Nicht alle eignen sich für Lymphödem-Patienten. Wie hoch der Strumpf sein muss, teilt der Arzt seinem Patienten mit. Unterschieden wird zwischen Kniestrümpfen, Schenkelstrümpfen, Strümpfen mit Hüftbefestigung und Strumpfhosen. Es gilt in jedem Fall darauf zu achten, dass die Strümpfe gut sitzen und nicht einschneiden. Dazu muss einerseits die Länge stimmen und andererseits die Grösse. Auf keinen Fall darf der Strumpf einschneiden. Der behandelnde Arzt sollte den Sitz der Kompressionsstrümpfe auf jeden Fall überprüfen. Bei ausgeprägten Ödemen und speziellen Formen kann oft nicht auf vorkonfektionierte Strümpfe zurückgegriffen werden, hier ist eine flachgestrickte Massanfertigung gefragt.

Die Qualität der Strümpfe ist bei der Behandlung eines Lymphödems ebenfalls entscheidend. Das Gestrick muss möglichst kurzzugige Eigenschaften aufweisen, um Beine oder Arme ausreichend zu komprimieren. Folgende Modelle weisen diese Eigenschaft auf:

  • Venosan 7002
  • Varisan Top micro
  • Juzo Dynamic
  • Juzo Expert
  • Sigvaris Traditional
  • und alle flachgestrickten Strümpfe (Massanfertigungen).

Wie hoch der Druck der Strümpfe sein soll hängt immer vom Zustand des Patienten ab. In den meisten Fällen werden die Kompressionsklassen 3 oder 4 benötigt. Gelegentlich kann aber auch ein viel höherer Druck notwendig sein, der durch Übereinanderziehen mehrerer Kompressionsstrümpfe erreicht wird. Das Finden der geeigneten Kompressionsstärke ist ein Prozess, den Arzt und Patient gemeinsam gehen. Unabhängig von der Kompressionsklasse müssen die Strümpfe täglich getragen werden! Nur eine konsequente Therapie ist erfolgreich.

3. Bewegungstherapie

Bewegung fördert den lymphatischen Abfluss und ist deshalb eine wichtige Säule der KPE. Während der ersten Therapiephase erlernte Bewegungsübungen, sollte in der Erhaltungsphase täglich selbständig zu Hause durchgeführt werden. Auf Sport müssen Lymphödem-Patienten entgegen älterer Empfehlungen nicht verzichten. Im Gegenteil, ein leichtes Training unterstützt die Entstauung zusätzlich. Lediglich auf Risikosportarten sollte man verzichten.

Beim Sport wird der Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf getragen, er verstärkt die entstauende Wirkung der Bewegung.

4. Hautpflege

Viele Lymphödempatienten leiden an trockener, rissiger und verletzlicher Haut im ödematösen Gebiet. Auf „Hausmittel“ zur Hautpflege sollte verzichtet werden. Besser eignen sich spezielle Lymph-Lotions, oder vom Arzt empfohlene Hautpflegeprodukte, die täglich angewendet werden. Das Eincremen sollte immer am Abend erfolgen, weil Cremerückstände auf der Haut den Kompressionsstrumpf schädigen können.

Weitere Massnahmen

Die oben beschriebene Therapie kann mit weiteren Massnahmen ergänzt werden.

  • Regelmässiges Hochlagern der betroffenen Extremität wird empfohlen.
  • Um eine weitere Verschlechterung der Situation vorzubeugen sollte ausserdem auf einschnürende Kleidung verzichtet werden.
  • Gutes geschlossenes Schuhwerk, Schutzhandschuhe bei der Gartenarbeit, bei Anfassen von heissen Pfannen etc. beugen Verletzungen der Haut vor, die unter Umständen nur noch schwer abheilen würden.
  • Wie bei allen Erkrankungen ist auch bei einem Lymphödem ein gesunder Lebensstil unumgänglich. Optimales Körpergewicht, gesundes Essen und regelmässige Bewegung tragen viel zur allgemeinen Gesundheit bei.
  • Direkte Sonneneinstrahlung und Hitze (z.B. Sauna, Hot Stone) sollte man meiden.
  • Medizinische Untersuchungen wie Blutentnahme oder Blutdruckmessen, sollen nicht an der betroffenen Extremität erfolgen. Informieren Sie das Praxispersonal vor jeder Untersuchung.

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