Selbstmanagement bei Lymphödem

Von | 22. Januar 2019

Für die Behandlung des Lymphödems gibt es nur eine wirkungsvolle Therapie, die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Deren Ziel ist es, das Ödem so weit wie möglich zu reduzieren (entstauen) und dadurch die Lebensqualität und die Arbeitsfähigkeit des Betroffenen zu erhalten, resp. wieder herzustellen.

Ausserdem soll das Selbstmanagement gefördert werden. Diese Ziele wurden von einer Expertenkommission definiert, welche die medizinischen Leitlinie zur Lymphödemtherapie verfasst hat (1). Was Selbstmanagement im Zusammenhang mit der Lymphödem-Therapie bedeutet, wie Sie es umsetzen können und wie Sie in der Ödemtherapie mehr Freiheit gewinnen, erfahren Sie hier.

Entstauung selber gestalten mit apparativer Lymphdrainage

Bis vor kurzen war das Koordinieren der Lymphdrainage-Termine die einzige Freiheit die Lymphödem-Betroffene hatten. Dank Lymphdrainagegeräten hat sich das geändert. Die manuelle Lymphdrainage kann in den meisten Fällen teilweise durch die apparative Lymphdrainage ersetzt werden. Das bringt eine grosse Zeitersparnis und auch mehr Freiheit, weil die apparative Lymphdrainage jederzeit zu Hause durchgeführt werden kann, auch am Abend oder frühmorgens.

Modernes Lymphdrainage-Gerät: VASOprime wave 4

In schweren Fällen ist die apparative Lymphdrainage eine sinnvolle Ergänzung zur manuellen Lymphdrainage. Hier steht weniger die Zeitersparnis, als vielmehr die erfolgreiche Beschwerdelinderung im Vordergrund.

Weiter können Betroffene durch regelmässige Bewegung und Entstauungsgymnastik einen Einfluss auf das Ödem nehmen.

Kompression während der Entstauungsphase

In der Entstauungsphase war das Prozedere bis vor kurzem immer gleich. Der Patient geht zur manuellen Lymphdrainage, wird anschliessend mit einem gepolsterten Kompressionsverband eingebunden. Vor dem nächsten Lymphdrainage-Termin wird der Verband abgenommen, geduscht und die nächste Lymphdrainage durchgeführt.

Mit den neu entwickelten adaptiven Kompressionsbandagen ändert sich das. Sie können vom Betroffenen selbständig an- und abgelegt werden. Das Handling ist einfach und nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. So wird das Selbstmanagement einfach umsetzbar.

Adaptive Kompressionsbandagen

Verschiedene Marken wie medi, Juzo und Lohmann & Rauscher stellen seit kurzem adaptive Kompressionsbandagen her. Das Prinzip ist einfach und genial zugleich. Die Kompressionsbandagen sind aus einem gepolsterten Material gefertigt, sodass Einschnürungen vorgebeugt werden und keine weitere Polsterung nötig ist. Verschlossen werden die Bandagen mit mehreren Klettverschlüssen, was eine individuelle Anpassung der Grösse ermöglicht. So lassen sich Ödeme mit änderndem Umfang jederzeit optimal versorgen.

Intensive Therapie

Adaptive Kompressionsbandagen haben nicht nur den Vorteil, dass sie das Selbstmanagement ermöglichen, sondern vom Betroffenen jederzeit selbständig angepasst werden können. Das erleichtert nicht nur das An- und Ausziehen, sondern steigert auch die Wirksamkeit. Während gewickelte Kompressionsverbände oft schon nach wenigen Stunden zu locker sitzen, verrutschen und ihre Wirkung verlieren, lassen sich adaptive Kompressionsbandagen jederzeit nachjustieren. So wird die Entstauung effektiv unterstützt und die Therapie ist deutlich intensiver als mit einem gewickelten Verband.

Die verschiedenen Produkte

Zurzeit sind in der Schweiz drei verschiedene Systeme adaptiver Kompressionsbandagen erhältlich, die sich alle sehr gut für das Selbstmanagement bei Lymphödem eignen. Wir stellen Ihnen die verschiedenen Systeme vor, die alle im Strumpfshop erhältlich sind.

ReadyWrap

Das ReadyWrap System ist besonders einfach in der Anwendung. Jede Kompressionsbandage ist aus mehreren Bahnen gefertigt, die sich zu 50% überlappen und im hinteren Bereich fest miteinander verbunden sind. Die Klettverschlüsse sind farblich gekennzeichnet, um das Anziehen zu erleichtern. Es sind verschiedene Bandagen für Arme und Bein erhältlich. Bei ReadyWrap einzigartig ist die Zehenkappe, die eine individuelle Kompression der einzelnen Zehen ermöglicht. Mehr dazu erfahren Sie im Beitrag ReadyWrap Kompressionssystem.

ReadyWrap Kompressionsbandage von Lohman & Rauscher
ReadyWrap ist besonders einfach in der Anwendung

Circaid Juxtafit

Die adaptiven Kompressionsbandagen von medi heissen Circaid Juxtafit. Die dünnen Bandagen werden auf der Vorderseite mit einzelnen Bändern verschlossen, die ineinandergreifen. Als einziges System bietet Circaid die Möglichkeit die Kompressionsstärke zu überprüfen. Jedes Verschlussband ist mit zwei feinen Linien bedruckt. Der Abstand zwischen den Linien wird mit der mitgelieferten Messkarte gemessen und so der eingestellte Druck überprüft. Weitere Informationen dazu im Beitrag Circaid juxtafit – die Revolution in der Kompressionstherapie.

Juzo ACS Light

Die adaptiven ACS Light Kompressionsbandagen sind alle mit einem weichen Inlett ausgestattet. Dieses hält die Bandage sicher in Position während man die Klettverschlüsse verschliesst. Jedes Segment ist mit einem Haftrand ausgestattet, sodass nichts rutscht. Wir haben das Produkt im Beitrag Juzo ACS Light Kompressionssystem im Detail vorgestellt.

Kompression während der Erhaltungsphase

Ist das Ödem maximal entstaut, werden die Anzahl Sitzungen bei der manuellen Lymphdrainage reduziert. Die adaptiven Kompressionsbandagen werden durch Kompressionsstrümpfe ersetzt und die Betroffene erhält noch mehr Freiheit und Selbstbestimmung.

Welche Kompressionsstrümpfe benötigt werden, hängt vom Schweregrad des Ödems und der individuellen Situation ab.

Bei gut kontrollierbaren Schwellungen eignen sich oft rundgestrickte Strümpfe. Hier ist auf eine hohe Stiffness zu achten, damit es nicht zu Einschnürungen kommt. Geeignet sind z.B. die Venosan 7002 oder Juzo Dynamic.

Eine intensivere Wirkung bieten flachgestrickte Kompressionsstrümpfe mit einer Naht auf der Rückseite, wie z.B. die Juzo Expert.

Auch beim Thema Kompressionsstrümpfe dürfen Lymphödem-Patientinnen mitentscheiden und Selbstinitiative zeigen. Nicht für jeden Betroffenen ist das gleiche geeignet. Wichtig ist, dass die Strümpfe den entstauten Zustand erhalten und nicht einschnüren. Ausserdem müssen sie jeden Tag getragen werden.

Viele Lymphödem-Betroffene haben mehrere Strümpfe, die sie je nach Situation tragen. Z.B. feste flachgestrickte Strümpfe für den Arbeitsalltag und etwas leichtere rundgestrickte Strümpfe fürs Wochenende, wenn man immer wieder die Gelegenheit hat die Beine hochzulagern.

Tipp: Auch in der Erhaltungsphase können die adaptiven Kompressionsbandagen noch getragen werden. Sie sind eine willkommene Abwechslung, wenn man keine Lust hat die Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Manche Lymphödem-Patienten tragen die Bandagen gelegentlich auch über den Kompressionsstrümpfen, um die Therapie kurzzeitig zu intensivieren.

Fazit

Das Selbstmanagement bei Lymphödem wird durch moderne Hilfsmittel wie Lymphdrainagegeräte und adaptive Kompressionsbandagen erleichtert. Auch im Bereich Kompressionsstrümpfe darf und soll man als Betroffener mutig sein und verschiedene Versorgungen ausprobieren, bis man die individuell beste Lösung gefunden hat.

Das Selbstmanagement ermöglicht Lymphödem-Betroffenen ein Maximum an Freiheit. Voraussetzung ist eine gute Schulung in der ersten Entstauungsphase. Eine gut geschulte Patientin kann selber die Verantwortung für eine wirkungsvolle Therapie übernehmen. Bei regelmässigen ärztlichen Kontrollen wird der Erfolg der Therapie überprüft. Der Arzt ist auch die Ansprechperson wenn man befürchtet, dass die Therapie nicht ausreichend wirkt.


Quellennachweis
  1. Földi E. et al : S2k Leitlinie Diagnostik und Therapie der Lymphödeme, AG 4: Konservative Therapie, AWMR Reg.-Nr. 058-001, Mai 2017